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Der Arzt und Naturforscher
Georg Wilhelm Steller (1709-1746)

Georg Wilhelm Stöller wurde am 10. März 1709 in Windsheim (Mittelfranken) als viertes Kind der Eheleute Johannes Jacob Stöller (1664-1743) und seiner Frau Loysa Susanna geboren. Sein Vater war Kantor und Organist an der evangelischen Hauptkirche Sankt Kilian. In Windsheim verbrachte G. W. Stöller seine Kindheit, besuchte die Schule und schloss 1729 erfolgreich das Gymnasium ab.

Ansicht von Windsheim, 1648
Matthäus Merian d.Ä. (1593-1650); Stadtarchiv Bad Windsheim

Studium in Wittenberg und Halle

Mit einem Stipendium für das Studium der Theologie in Wittenberg verließ Stöller im September 1729 seine Heimatstadt. An der Universität Wittenberg wandte er sich nicht nur den theologischen Studien zu, sondern auch den modernen Sprachen, der Orientalistik und Medizin.

Im Frühjahr 1731 setzte G.W. Stöller sein Studium in Halle (Saale) fort. Obwohl er sich als Student der Theologie am 23. April 1731 an der Universität Halle immatrikulierte, beschäftigte er sich nun vorrangig mit medizinischen und naturwissenschaftlichen Studien. Zudem war er als Hilfslehrer (Informator) in der Schulstadt von August Hermann Francke (1663-1727) in Halle tätig, um sein Studium zu finanzieren. Im Sommer 1734 schloss er auf Anraten des Medizinprofessors Friedrich Hoffmann (1660-1742) sein Medizinstudium am Obercollegium medicum in Berlin ab.

In Sankt Petersburg

G. W. Stöller kehrte nicht nach Halle zurück, sondern begab sich auf den Weg nach Sankt Petersburg, wo schon zahlreiche westeuropäische Gelehrte an der jungen Akademie der Wissenschaften tätig waren. Von Danzig aus gelangte er mit einem Schiffstransport kranker russischer Soldaten im November 1734 nach Sankt Petersburg, wo er zunächst Aufnahme im Haus des Oberhauptes der russischen orthodoxen Kirche Feofan Prokopowitsch (1661-1736) fand.

Die Probleme bei der Transkription seines Namens in kyrillische Buchstaben
löste er dadurch, dass er sich von nun an Steller nannte.

In Sankt Petersburg knüpfte er Kontakt zu den Gelehrten der Akademie der Wissenschaften, u. a. zu dem Botaniker Johann Ammann (1707-1741). Großes Interesse erregte bei Steller ein Gesuch der Expeditionsteilnehmer zur Verstärkung des wissenschaftlichen Personals der 2. Kamtschatkaexpedition. Bereits im Sommer 1733 waren der Naturforscher Johann Georg Gmelin (1709-1755), der Historiker Gerhard Friedrich Müller (1705-1783) und der Astronom Louis De l’Isle de la Croyère (vor 1688 – 1741) mit zahlreichen Begleitern auf dem Landweg nach Kamtschatka aufgebrochen, um Sibirien und den Fernen Osten zu erforschen.

Steller bewarb sich erfolgreich an der Akademie und wurde am 7. Februar 1737 als Adjunkt für Naturgeschichte unter Vertrag genommen. Bei der Vorbereitung der Abreise nach Sibirien machte Steller die Bekanntschaft der Witwe des ersten deutschen Naturforschers in Russland, Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685-1735). Kurze Zeit später heiratete er Brigitta Helena Messerschmidt.

Auf der Reise nach Sibirien

In Begleitung seiner Frau und des Malers Johann Cornelius Decker begann Steller im Dezember 1737 von Sankt Petersburg aus die Reise nach Sibirien. Über Moskau, wo seine Frau zurückblieb, über Nishni Nowgorod, Kasan, Tobolsk und Tomsk gelangten beide im Dezember 1738 nach Jenisseisk. Hier trafen sie auf Johann Georg Gmelin und Gerhard Friedrich Müller. Ende Februar 1739 erhielt Steller von Gmelin die Anweisung zur Weiterreise nach Kamtschatka.

Bild: Johann Georg Gmelin (1709-1755)

 

In Irkutsk und am Baikal

Begleitet von dem Maler Johann Christian Berckhan und dem Studenten Alexei Gorlanow setzte Steller Anfang März die Reise fort und erreicht Ende März Irkutsk. Wegen fehlender Transportmöglichkeiten, Proviantmangel und Rückständen in der Soldzahlung kam es zu einem ungeplanten Aufenthalt in Irkutsk von etwa einem Jahr. Steller nutzte die Vegetationsperiode zu Exkursionen in der Umgebung von Irkutsk und bereiste von Juli bis September 1739 das Baikalgebiet. Seine botanischen Aufzeichnungen stellte er zum Manuskript „Flora Irkutiensis“ zusammen, in dem er 1152 Pflanzennamen auflistete. Im März 1740 konnte Steller mit seinen Begleitern auf dem Fluss Lena bis nach Jakutsk reisen. Auf dem Landweg wurde die Reise bis nach Ochotsk fortgesetzt, wo es zu einem ersten Treffen mit Vitus Bering (1681-1741) kam. Vitus Bering, ein seit 1704 in russischen Diensten stehender dänischer Seeoffizier, war der Leiter der 2. Kamtschatkaexpedition.

Karte aus: Johann Georg Gmelin, Expedition ins unbekannte Sibirien.
Herausgegeben, eingeleitet und erläutert von Dittmar Dahlmann
(c) 1999 Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart

Auf Kamtschatka

Nach einer mehrwöchigen Schiffsreise trafen Steller und seine Begleiter am 20. September 1740 auf der Halbinsel Kamtschatka ein. Steller nahm den Studenten Stepan Krascheninnikow (1711-1755), der 1737 von Johann Georg Gmelin und Gerhard Friedrich Müller mit detaillierten Instruktionen von Jakutsk aus nach Kamtschatka gesandt worden war, in seine Gruppe auf. Krascheninnikow hatte seine geographischen, naturkundlichen und ethnologischen Beobachtungen aufgezeichnet und regelmäßig darüber an Gmelin berichtet. Steller bereiste im Winter 1740/41 den Südteil der Halbinsel Kamtschatka, wo er das Leben der Ureinwohner (Itelmenen und Korjaken) studierte. Als Vitus Bering, der von Kamtschatka aus seine Amerikareise vorbereite, Anfang 1741 Steller zur Teilnahme an dieser Reise einlud, nahm er dieses Angebot dankbar an.

Nach Alaska

Am 4. Juni verließen die Schiffe „Sankt Peter“ unter dem Kommando von V. Bering und die „Sankt Paul“ unter Alexei Tschirikow (1703-1748) die Awatschabucht an der Ostküste von Kamtschatka. Steller segelte an Bord der „Sankt Peter“ mit Bering. Durch ungünstige Windverhältnisse wurden die Schiffe getrennt. Mitte Juli erreichte das Schiff „Sankt Peter“ die dem Festland von Alaska vorgelagerte Insel Kayak. Für seine Exkursion auf Kayak wurden Steller nur wenige Stunden gewährt, so dass seine Aufzeichnungen den Titel „Catalogus plantarum intra sex horas observatarum“ (Katalog der innerhalb von sechs Stunden beobachteten Pflanzen) tragen. Mangel an Trinkwasser und das Auftreten von Skorbut unter der Mannschaft zwangen zur Rückkehr. Bei schlechtem Wetter segelte das Schiff entlang der Küste der Aleuten, wo es zu einer ersten Begegnung mit dem dort lebenden Volk der Aleuten kam. Von den Herbststürmen traktiert, strandete das Schiff Anfang November 1741 auf der später nach Vitus Bering benannten Insel, wo dieser am 8. Dezember 1741 verstarb. Steller betätigte sich als Arzt, Seelsorger sowie als Naturforscher und erkundete die Insel. Er entdeckte die später nach ihm benannte Seekuh (Hydrodamalis gigas), ein großes endemisches Meeressäugetier der kalten Küstengewässer der Kommandeurinseln, und fertigte eine ausführliche Beschreibung dieses Tieres an. Bereits 1768 war die Seekuh durch Überjagen ausgerottet. Im Frühjahr 1742 begannen die Überlebenden aus den Resten der „Sankt Peter“ ein seetüchtiges kleines Schiff zu bauen, mit dem die Rückreise nach Kamtschatka angetreten werden konnte. Von den 77 Besatzungsmitgliedern der „Sankt Peter“ waren 31 Seeleute auf der Expedition verstorben. Nach dem Bekanntwerden von Berings Tod wurde die 2. Kamtschatkaexpedition im September 1743 offiziell für beendet erklärt. Steller hielt sich noch bis zum Sommer 1744 auf Kamtschatka auf und bereiste den Nordosten der Halbinsel.

Seekuh (oben), Seebär (unten links) und Seelöwe (unten rechts).
Der Ausschnitt der Waxelkarte zeigt die vermutlich einzig erhaltene
Zeichnung der Stellerschen Seekuh, die nach der Natur gefertigt worden ist.
Federzeichnung 1744, aquarelliert, nach einer Vorlage von Sven Waxel

Rückkehr und Tod

G. W. Steller erreichte im August 1744 Ochotsk und reiste weiter nach Jakutsk, wo er sich bis Juli 1745 aufhielt. In Irkutsk traf er im September 1745 ein, wo auf Grund von Denunziationen der Vorwurf untersucht wurde, er habe rebellierende Kamtschadalen unterstützt und befreit. Auf Anordnung des Vizegouverneurs konnte Steller die Rückreise fortsetzen, wurde jedoch in Solikamsk auf Anweisung des Senats erneut zu weiteren Untersuchungen nach Irkutsk beordert. Dieser Befehl wurde jedoch kurze Zeit später, als sich Steller bereits in der Stadt Tara aufhielt, widerrufen. Er war zu dieser Zeit bereits von einer schweren Krankheit befallen, gelangte aber noch bis Tjumen, wo er im Beisein zweier deutscher Wundärzte am 12. November 1746 verstarb.

Siehe auch: Steller erhält ein Gesicht